Von der Planbarkeit der Dinge

Wie sagt man doch so schön: „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.“

 

Wie wahr, wie wahr.

 

Erstens war in diesem Falle so: Ich habe ein Buch geschrieben: „Hate you, want you, love you“. Dann habe ich die Fortsetzung geplant. Ich hatte eine richtig gute Idee, ein Konzept und alles. Band 2 sollte als Adventskalender auf Snipsl laufen, als kleines Weihnachtsgeschenk für meine Leser sogar in ganzer Länge. Dann wollte ich dieses besagte Buch am 26.12. veröffentlichen. Sogar das Cover hatte ich schon.

 

Kommen wir zu zweitens: Ich hätte es eigentlich wissen müssen. Meine Protagonisten sind nämlich sehr eigenwillig und störrisch, ein bisschen wie ich selbst. Ich versuchte also, mich an mein Konzept so halten. Das lautete: viele neue Erzählstimmen, also nicht nur Emma und Loris, sondern auch Ali, Alessia, Jimmy, Marco, Riccardo und wie sie alle heißen. Plus: in jedem Kapitel spielt ein Selfie eine besondere Rolle. Ein roter Faden, der sich durch alle Kapitel zieht und am Ende einen besonderen Clou herbeiführt.

Tja, denkste, Angelina. Es klappte nämlich überhaupt nicht. Obwohl Ali und Ricky wundervolle Figuren sind… die von ihnen erzählten Kapitel wurden trotzdem nichts. Platt, langweilig, irgendwie blöd. Loris ist eben ein Egozentriker. Emma duldet er neben sich, aber andere gehen gar nicht.

Nun gut. Nachdem ich das begriffen hatte, wurde es besser.

 

Aber es lief trotzdem nicht rund. Das nächste Problem waren die Selfies (die im Titel eigentlich schon festgelegt waren…). Die Geschichte wollte sich diese dämlichen Selfies einfach nicht aufzwingen lassen. Entweder habe ich sie vergessen, oder sie waren sinnlos und fügten sich nicht in die Handlung ein. Und irgendwann sagte Loris zu mir: „F*** deine Selfies, Angelina! Selfie dich selbst, aber lass uns damit in Ruhe.“

 

Und da habe ich es dann halt endlich eingesehen: ein Text ist nicht planbar. Man kann zwar eine Idee haben, aber wenn es dann losgeht, kommen Prozesse in Gang, die man nicht mehr vollständig in der Hand hat. Manches funktioniert eben nicht so, wie man es sich vorgestellt hatte. Dafür entstehen ganz neue Dinge, die man überhaupt nicht geplant hatte.

Ein bedeutender Mann (er hieß Roland Barthes) sprach einst vom „Tod des Autors“ und meinte damit, dass der Schreiberling von seinem eigenen Werk um die Ecke gebracht wird und keine Rolle mehr darin spielt, weil der Text, bzw. das Schreiben so eigenständig und mächtig ist, dass das schreibende Individuum zwangsläufig darin verschwindet.

 

Ganz so arg ist es bei mir vielleicht noch nicht. Aber ich musste doch einsehen, dass es nicht sehr klug ist, Vorankündigungen zu machen, wenn man eigentlich noch gar nicht weiß, wo die Reise hingehen wird.

 

Der Social-Media-Aspekt, an den ich mit den Selfies anknüpfen wollte, spielt, wie ich also feststellen durfte, in Teil 2 keine Rolle. Das war Teil 1, da ging es um die Außenwirkung. Der Schwerpunkt des neuen Romans liegt auf dem Innenleben. Auf Erinnerungen und Gefühlen.

 

Und dann ist da noch etwas, das man einkalkulieren muss, beziehungsweise nicht kann: denn auch die Zeit lässt sich nicht planen. Ich hatte den 26.12. angepeilt, weil ich dachte, ein kurzer Roman im Adventskalenderformat wird bis dahin fertig.

Nun hat sich diese Geschichte aber dagegen gesträubt, in 24 Kapiteln erzählt werden zu können. Sie will ein richtiger Roman werden, dessen Umfang, genau, ihr habt es erraten, sich noch nicht klar bestimmen lässt.

 

Außerdem ist es mit Autoren wie mit E-Bikes, Smartphones oder Kindle-Readern: manchmal muss man sie aufladen. Vielleicht gibt es Kollegen, die jeden Tag ein festgelegtes Pensum schaffen. Das bewundere ich sehr, denn bei mir klappt das gar nicht. Manchmal ist die Batterie leer und ich bringe nichts zustande, obwohl ich mir für den besagten Tag zwei oder drei Kapitel vorgenommen hatte.

 

Das muss man dann akzeptieren und erst einmal etwas anderes tun. Die löwenartigen Hunde streicheln, ein Bild malen, Tomatensoße kochen, ein paar Kilo Oliven sammeln. Einen Blogbeitrag verfassen, bei dem meine armen Leser sicher denken: „Uff, jetzt komm aber mal zum Punkt!“

 

Irgendwie sowas. Und dann geht es schon irgendwie weiter.

 

Mit dem Schreiben ist es, im Grunde genommen, wie mit Venedig. Wer diese schönste aller Städte kennt, wird mir vielleicht zustimmen: Planen ist dort schwierig. Denn wenn man denkt, man kann noch schnell 100g Mortadella kaufen und ist vor Einbruch der Dunkelheit zurück… Pustekuchen.

Schon ist da ein Kanal, aber keine Brücke, oder eine unbekannte, bezaubernde Piazza mit einer Bar und dem Licht, das sich so unwahrscheinlich schön im Wasser und an den Häusern bricht, dass alle Pläne wieder über den Haufen geworfen werden… ach, Venedig, ach… muss da ganz dringend bald wieder hin.

 

So. Und nun komme ich wirklich zum Punkt.

 

Was ich nämlich sagen wollte: alle, die sich für den 26.12.2017 einen Roman mit dem Titel „24 Christmas Selfies - Ein Bad Boy zu Weihnachten“ auf den Einkaufszettel geschrieben hatten, bitte ich inständig um Verzeihung. Diesen Roman wird es nicht geben.

 

Aber eins verspreche ich euch: es wird einen anderen geben, einen besseren!

Und er kommt, ja, so weit lehne ich mich nun doch aus dem Fenster, Anfang Januar.

 

Ich wünsche euch eine wundervolle, hoffentlich planlose Vorweihnachtszeit! Herzt eure Tiere und alle anderen, die ihr lieb habt!

 

Eure Angelina

 

Venezia è un imbroglio che riempie la testa soltanto di fatalità… (Francesco Guccini)